Verdrehtes XiangQi |
Kürzlich bekam ich Post aus Vietnam. Jemand, nennen wir ihn Tom, hat dort Leute beobachtet, die ein interessantes Spiel zu spielen schienen. Eine Recherche im Internet führte ihn auf diese XiangQi-Seiten und so berichtete er mir davon. Manches klang zwar etwas eigenartig, manches erinnerte an XiangQi, doch da ich von unseren Reisenden Ähnliches noch nicht gehört habe, blieb ich skeptisch. Da ich im Moment auch einiges zu tun hatte, antwortete ich ihm nicht gleich. Schließlich obsiegte aber die Neugier und das Risiko, einen Bären aufgebunden zu bekommen, den man ein halbes Leben lang mit sich rumschleppen müsste, schien vergleichsweise gering.
Also schrieb ich Tom zurück. Aus den mitgeschickten Fotos wurde schon klar, dass es sich bei dem Spiel um eine Art von XiangQi handeln müsse. Also stellte ich Fragen zum Geschehen und Tom zog nach Feierabend durch Ho-Chi-Minh-Stadt auf der Suche nach Antworten und weiteren Fotos. Unter anderem bekam ich die Information, dass diese Variante in der vietnamesischen Wikipedia beschrieben ist: https://vi.wikipedia.org/wiki/C%E1%BB%9D_t%C6%B0%E1%BB%9Bng#C.E1.BB.9D_.C3.BAp. Die Übersetzung, die der Google-Translator bietet ist nicht unbedingt aufschlussreich, lässt jedoch die Vermutung zu, dass der Übersetzer den Text erst ins Englische und dann ins Deutsche überträgt. Im Englischen ist die Variante mit UpsideDown XiangQi benannt, ich will sie mal Verdrehtes XiangQi nennen. - Der Leser, der einen "offiziellen" Namen kennt, möge mich informieren. Nach mancherlei Vermutungen über die Regeln des Spieles hat es sich letztendlich doch als relativ einfach herausgestellt.
Spielvorbereitung Alle Spielsteine bis auf die Generäle werden umgedreht und ggf. mit einem Deckel von der Farbe des Steins zugedeckt |
||
Die Spielsteine werden gemischt, erst die des Gegners, dann, nach Austausch die eigenen und auf die normalen Ausgangsfelder gestellt. | ||
Das Spiel Gespielt wird nach
den normalen XiangQi-Regeln. Ein verdeckter Spielstein zieht so, wie
der Stein ziehen würde, auf dessen Ausgangsfeld er steht. |
||
Nachdem ein verdeckter Stein gezogen hat wird er aufgedeckt und zieht von da an normal. |
||
Dadurch
kann es sich ergeben, dass sich Leibwächter außerhalb des Palastes
befinden und Elefanten jenseits des Flusses. Daher sind Leibwächter und
Elefanten nicht auf ihre angestammten Reviere beschränkt. Ein
"verdeckter" Leibwächter darf jedoch im ersten Zug nicht den Palast
verlassen. Auch der General darf nicht aus dem Palast. Soldaten haben unter Umständen einen langen Weg vor sich bis sie über den Fluss können. |
||
Wird ein verdeckter Spielstein geschlagen, so darf sich der schlagende Spieler ansehen, welcher Stein darunter steckt, nicht aber sein Kontrahent. |
Als Tom auf seinem Heimweg in Berlin landete, trafen wir uns in einem Bayerischen Lokal und testeten diese Variante. Für Tom waren es die ersten selbst gespielten XiangQi-Partien. Beide verlor er, hauptsächlich weil ihm das Glück nicht hold war: Meist materialisierte sich sein "Leibwächter" zu einem Soldaten mitten im Palast, während bei mir ziemlich schnell Wagen und Kanonen entstanden. Das Spiel selbst besitzt eine starke Glück-Haben-Komponente, erfordert dann aber auch Können und Erfahrung. Ich finde, es hat einen eigenen Reiz, da es schwächeren Spielern durchaus erlaubt, stärkere zu besiegen. Wenn dazu noch, wie oben zu sehen, der schwächere Spieler ein oder zwei Züge Vorgabe bekommt, wird auch der stärkere gefordert.
Einige Erfahrungen, abgeleitet aus Toms Beobachtungen und unseren zwei Partien:
Fotos:©
by Tom (1-10), U.D. (11)
©
2016 by Uwe Doetzkies / last Update: 2016-12-15